Die Reiffenberger zu Haiger und Umgebung

Erster Pfarrer zu Haiger war 1606 Ehren Jacobus Reiffenberger, Pastor. Er dürfte um 1557/58 in Langenaubach geboren sein. In den einschlägigen Unterlagen gilt er als gebürtiger Haigerer. Das ist aber — wie noch näher auszuführen sein wird — sicher falsch. Vermutlich wird er die Haigerer Lateinschule, danach die Dillenburger Lateinschule besucht haben. Von 1571 soll er im Marburger Pädagogium als Schüler eingetragen sein. Ab 1575 studiert er Theologie in Erfurt, ist von 1581 bis 1590 zuerst als zweiter und dann als erster Pfarrer in Haiger tätig, wo er 1622 stirbt.

Jacobus Reiffenberger war verheiratet mit einer Tochter des Haigerer Gerichtsschöffen Hans Hütt „auf der Haigerer Wohnhütt", wie man damals den lange Zeit ein wenig selbständigen und bedeutsamen Haigerer Stadtteil „Haigerhütte" nannte. Die Angehörigen der Sippe Hütten, Hütte, Hütt waren Leute, bei denen Name, Wohnplatz und Arbeitsplatz gleich waren, Verwalter der landesherrlichen Schmelzhütte und begüterte Bürger, die großes Ansehen genossen. Ein Schwager Reiffenbergers, der Gottfried Hütten, hatte das Marburger Pädagogium besucht, war von 1588 bis 1591 als Rektor in Siegen tätig gewesen, wird 1592 als Schulmeister in Haiger genannt, ging dann als Amtskeller (gräflicher Verwalter) nach Dillenburg, wo er schon vor 1600 gestorben ist. Auch der Pfarrer Anton Hütten, Schüler in Haiger und Herborn, nach seinem Herborner Studium Pfarrer in Herborn und Ballersbach, daselbst 1605 verstorben, dürfte ein Schwager Reiffenbergers gewesen sein.

Der Ehe des Jacobus Reiffenberger entstammte Jodocus Reiffenberger, den die Stadt Haiger mit Fug und Recht unter ihre großen Söhne rechnen kann. Er hat die Lateinschulen und Pädagogien in Dillenburg, Siegen und Herborn besucht, studierte die Rechtsgelehrsamkeit in Herborn (1610), Marburg (1613), Bremen (1614) und Heidelberg (1615), promovierte zum Dr. jur., wurde Professor der Rechtswissenschaft in Herborn und danach n gleicher Eigenschaft 1621 an die Universität Rinteln, 1623 nach Bremen und 1624 an die bekannte, durch vorzügliche Gelehrte sich auszeichnende Universität Franeker in der niederländischen Provinz Friesland berufen. Schon zu Lebzeiten war er hochangesehen als bedeutsamer juristischer Schriftsteller und eine Leuchte seiner Wissenschaft. Seine Schwester Anna Reiffenberger heiratete den Pfarrer Johannes Wissenbach in Frohnhausen. Zwei Söhne der Eheleute, Justus und Johann Jakob, eiferten ihrem berühmten Onkel in der Juristerei nach. Johann Jakob Wissenbach hatte bereits vor seiner in Marburg erfolgten Promotion einen Ruf als Professor nach Heidelberg, konnte ihn aber kriegeshalber nicht wahrnehmen, bereiste mit seinem Zögling, einem Grafen Zinsendorf, Frankreich, Flandern, die Schweiz und England, um von 1640 ab als Professor der Rechte n Groningen und zuletzt sogar, von 1647 bis zu seinem Tode 1665, auf dem Lehrstuhl seines Oheims in Praneker und kaum weniger berühmt und angesehen als dieser, zu wirken.

Die Reiffenberger waren nach alledem Leute mit außergewöhnlichen Geistesgaben, Menschen unserer Heimat, auf die wir heute noch stolz sein können. Über diese Tatsache hinaus gibt es aber auch eine geradezu augenscheinliche Verbindung zwischen Haiger und den Reiffenbergern. Unmittelbar links der Straße nach Langenaubach befindet sich hinter der Eisenbahnbrücke eine Eigenheimsiedlung, die etlichen Familien nach der Vertreibung die Eingliederung in die neue Heimat erleichtert hat. Die zu dieser Siedlung führende Straße trägt den Namen „Im Reiffenberg". Das ist in zweifacher Beziehung falsch, nämlich von der Lage und der geschichtlichen Entwicklung her. Man hat so den Eindruck als sei ein Berg gemeint. Die alte haigerische Bezeichnung für diese Flur aber lautet „iem Reifeberjer" im Reifenberger. Gemeint ist „im Land, das dem Reiffenherger oder den Reiffenbergern gehört". Schon das im deutet an, daß es sich dabei nicht um ein paar Grundstücke, sondern um einen größeren Landbesitz handelt. Tatsachlich war das Reiffenberger Land altes Domänengut, offensichtlich aus fürstlich-nassauischem Landbesitz herrührend, vom Domänenrentamt in Dillenburg verwaltet und darum von vornherein für eine Umwandlung in eine geschlossene Siedlung geeignet. Für uns stellt sich die Frage, ob und welche Beziehungen der Name „Im Reiffenberger" zu den „Reiffenbergern" in Langenaubach und Haiger hat. Dazu sollen die feststellbaren Glieder dieser Familie noch einmal zusammengestellt werden.

1532 Langenaubach:
Der Reiffenbergisch Jost ist einer der vier höchsten Steuerzahler.

1566 Langenaubach:
Velten Reiffenberger zahlt auf 141 Gulden Vermögen 7 Gulden Schatzung.
Thomas Reiffenberger zahlt auf 395 Gulden Vermögen 4 Gulden Schatzung.
Jost Reiffenberger zahlt auf 1533 Gulden Vermögen 41 Gulden Schatzung und war damit der reichste Mann der ganzen Umgebung.

1582 Langenaubach:
Hans Reiffenberger und Graf Johann von Nassau tauschen Ländereien „in den Heistern am Gemeinen Wasserstaden„.

1587 Langenaubach:
Ein Reiffenberger ist „Heimbürger".  

1606 Langenaubach:
Hans Reiffenberger.

1606 Flammersbach:
Jost Reiffenberger

1606 Haiger:
Jacobus Reiffenberger, Pastor.

1609 Langenaubach:
Hans Reiffenberger

1628 Langenaubach:
Theiß Reiffenberger

1660 Langenaubach:
Johann Reiffenberger, der erste Schulmeister des Dorfes, lebenslang Junggeselle, stirbt, nachdem er 50 Jahre lang Schule gehalten hat, 1724. Sein „Neujahrseisen" von 1684 blieb erhalten. Es zeigt auf der einen Seite seinen Namen, auf der anderen drei Kronen und die Weltkugel mit Kreuz.

Von dem „lezten Reiffenberger" wird erzählt, daß er die Gabe des „Zweiten Gesichts" hatte, ein „Prophet" gewesen sei und vorausgesehen haben, daß „Wagen ohne Pferde" den Wald entlang und auf der Landstraße nach Haiger fahren würden (Grubenbahn und Autos!) und daß in einem großen Krieg nur soviel Menschen übrig bleiben würden, daß sie alle unter einem Baum Platz fänden.

Halten wir dazu die Tatsache, dass die nassauischen Grafen etliche Herborner Burgmann-Geschlechter in Langenaubach mit Ländereien belehnt hatten, und daß zu diesen Burgmannen auch die „von Reiffenberg" gehörten, die ihre Stammburg im Obertaunus hatten, dann lassen sich — auch wenn einige Glieder in dieser Schlußkette fehlen oder nicht ganz hieb- und stichfest erscheinen —‚ folgende Meinungen vertreten:

1. Aus dem Kleinadelsgeschlecht derer von Reiffenberg hat sich mit der Zeit ein mit Gütern wohlausgestattetes Bauerngeschlecht entwickelt, zumal irgendwo einmal von einer „Westerwälder Linie„ derer von Reiffenberg die Rede ist. Dieser Vorgang ist auch bei anderen Landadelsfamilien zu beobachten.

2. Jost Reiffenberger muß seinen überaus großen Landbesitz nach 1566 veräußert haben; später taucht dieser nicht mehr auf. Als Käufer kommt nur die nassauische Landesregierung in Frage. Sie hat den reiffenbergischen Besitz in eine Domäne verwandelt.

3. Von dem Erlös hat Jost Reiffenberger seinem zweifellos sehr begabten Sohn Jacobus eine gediegene Schul- und Universitätsausbildung angedeihen lassen, die auch dann noch kostspielig war, wenn obrigkeitliche Unterstützungen — Freitische u. a. — gewährt wurden. Die Wahl der für damalige Verhältnisse doch sehr entfernten Universität Erfurt spricht dafür.

4. Das „Reifenbergische Gut‘ muss in dem oft strittigen Grenzgebiet der Gemarkungen Haiger und Langenaubach gelegen haben, eben „im Reiffenberger". Es ist doch heute noch höchst auffällig, daß die Gemarkungsverhältnisse oberhalb des „Reiffenberger" nicht ganz eindeutig sind. In der anschließenden Flur „Auf der Linn" gehören die Ländereien zur Gemarkung Haiger, werden aber fast ausschließlich von Langenaubacher Einwohnern bestellt. Es bedarf noch eingehender Untersuchungen, um das Verhältnis Reiffenberger- Haiger- Domänenland zu klären. Richtig wäre es jedenfalls, wenn die falsche Flur- und Straßenbezeichnung „Am Reifenberg" wieder auf „Im Reiffenberger" zurückgeführt, der alte Zustand wiederhergestellt und dadurch sehr interessante Vorgänge im heimischen Raume lebendig erhalten werden könnten.



Tafel I     Die Linie Reiffenberg ab 1440

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Tafel II     Die Nachkommen des Jost Reiffenberg (1569-1659) aus Flammersbach

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Quellen (Stand 2000):
- Haigerer Hefte, Heft VI
- Internet-Seite der Mormonen http://www.familysearch.com
- Internet-Seite http://members.aol.com/Chastea/rivenburgh.html


© Detlev Kretzer