Versuch einer neuhochdeutschen
Sinnkonstituierung:
Ich, Johann von Wilnsdorf, tue allen
Menschen (Leuten), die diese Urkunde (an)sehen, hören
oder lesen, kund, daß ich Herrn Heiderich von
Haiger, (seines Standes) Ritter, überall da,
wo unser beider Hörige (Leute) untereinander
geheiratet haben oder das noch tun werden (wörtlich:
zu einander gegriffen haben oder noch greifen), das
Recht zur Aufteilung der Kinder aus diesen Hörigen-Ehen
nach den Herrschaftsverhältnissen, denen die
Eltern unterworfen sind, zugestanden habe und weiterhin
zugestehe (wörtlich: ich habe ihm Kindgeding
gegeben) und daß er mir gegenüber dieselbe
Rechtspflicht anerkennt (wörtlich: er hat mir
auch dasselbe Kindgeding wiederum gegeben). Weiterhin
gebe ich hiermit bekannt, daß der Sohn des
Raimund von Haiger, der seinen (Wohn)sitz zu Holzhausen
bei Haiger hatte, daß dieses Raimunds Sohn
das Seine und das Meine miteinander (ver)sieht. Ich
habe ihm mein Teil (an)be-fohlen (zum Schutz etc.
anvertraut) und betraue ihn hiermit (noch einmal)
urkundlich (in diesem Brief) mit der Aufgabe, sie
zu beschirmen (d.h. die Verant-wortung für Erziehung
und Schutz der Hörigen-Kinder zu übernehmen,
die rechtlich in den Verfügungsbereich des urkundenden
Johann von Wilnsdorf fallen).
Bewertung:
Für den Leser ergibt sieh nun die Frage
nach der Bedeutung des Wortes „Kindgedinge“. Die meisten von
uns wissen noch, daß der Steiger mit den Bergleuten einen
Vertrag abschloß (Akkordvertrag), in dem die Höhe
des Lohnes für bestimmte Arbeiten unter Tage festgelegt
wurde. Diese Verträge wurden „Geding“ genannt. In unserem
Falle nun gingen diese Verträge nicht über Arbeitsleistungen,
sondern über Menschen. Zwei „Edelinge“ die von Wilnsdorf
und die von Haiger, verpflichteten sich, wenn Hörige aus
ihrem Gebiet in den Herrschaftsbereich des anderen heirateten,
diese gut zu behandeln und deren Kinder eventuell wieder dem
früheren Lehnsherren zurückzugeben, damit dieser
keine Untertanen verliere. Es wurde am Ende des Vertrages aber
ausdrücklich vermerkt, daß der jeweilige Herr sie
gut behandeln solle (beschermen) . Bei Bastarden (unehelich
Geborenen) traten andere Bestimmungen in Kraft. Sie waren des
Eigentum des höchsten Landesherren — später des Kaisers —,
der sie aber weiter entlehnte an den Herren, in dessen Bereich
sie geboren waren. Wie alle Verträge oft nur Stückwerk
sind und nicht allzu lange gehalten werden, so war es auch
mit diesem Vertrag. Die Haigerar behandelten die ihnen Anvertrauten
nicht gut, so daß die Herren von Wilnsdorf eingreifen
mußten. Es kam zur Fehde. 1341 fielen sie über das
Dorf her, raubten und plünderten und setzten auch einige
Häuser in Brand. Dadurch ließen sich die Holzhausener
aber nicht entmutigen, bauten auf, und wir erfahren aus einer
Urkunde aus dem Jahre 1447, daß in dem Ort 34 Haushaltungen
waren, also ca. 200 Menschen wohnten. Diese besaßen 44
Pferde und 84 Kühe. Durch den Fleiß seiner Bewohner
hat es sich über die Jahrhunderte hinweg weiterentwickelt
und ist heute eine der reichsten Gemeinden im Hickengrund.
Nach Erich Georg, Haiger und G.
Zimmermann, Siegen-Trupach
entnommen aus Heimatspiegel Nr. 100,
April 1990 |