Ein Teil der Jüngeren wird vielleicht jetzt»Was sollte das
denn gewesen sein?« Damals, bereits vor über 50 Jahren besaßen
die »Bense-Brüder« Ernst und Fritz mit ihren Freunden
einen für diese Zeit ungewöhnlichen Renner. Wenn siei tagsüber
auf Schicht waren, durfte ich der stolze Besitzer sein. Was wir mit diesem
legendären Schlitten für schöne, aufregende und manchmal
auch gefährliche Fahrten erlebt haben, lässt sich nur schwerlich
in Worte fassen. Von den wenigen Groschen, die wir besaßen, baute
uns »Handels Oskar« dieses 12-sitzige Gefährt. Es bestand
aus zwei Böcken mit Kufen, und darüber war eine lange stabile
Eichenbohle befestigt. Ein Kälberstrick diente als Lenkung und verhalf
uns meist sicher durch die Kurven. Es war alljährlich das gleiche
Spiel. Wenn im Dezember die ersten Schneeflocken fielen, saß abends
unsere Familie gemeinsam in der guten Stube beim Adventslicht oder hielt
Lichtstunde. Wir Jungs, aber auch die Mädchen drückten uns am
Fenster die Nasen platt und hofften, dass es jetzt richtig schneite, damit
endlich wieder die Schlitten aus der Scheune geholt werden konnten. Von
lauter Schlittenfahren rutschten wir dann am nächsten Tage voller
Unruhe in der Schule auf den Bänken hin und her. Dass es dann öfters
vom Lehrer welche um die Ohren gab, versteht sich von selbst. Aber mittags,
wenn das Essen hastig verschlungen war, ging‘s stolz mit unserm Renner
zur Sang oder zur Sängerhalle.
Ein nicht zu beschreibendes Gefühl, wieder mit unserem Bob unter
der Dorfjugend zu sein. Ein wenig geachtet und ein bisschen beneidet, deshalb
hat es nie an Mitfahrern gefehlt. Aber im Vordergrund stand immer die Stammbesatzung
mit Krenzersch Willi, Ottos Alfred, Schäfersch Hermann und mir. Dass
ein paar Mädchen unsere beliebtesten Begleiter waren, kann man bestimmt
auch heute noch verstehen. Als wir wieder einmal in rasanter Fahrt die
Sang runterdampften, kam uns in Höhe des Kanals (Tunnels) ein Pferdefuhrwerk
entgegen. Es gab nur noch eins: entweder das Fuhrwerk oder in den Hauberg.
Letzteres zogen wir vor. Neben einer Reihe Geißelhieben vom Fuhrmann,
weil die Pferde scheuten, krochen wir wieder mit einigen Blessuren aus
dem Gestrüpp hervor. Das Wichtigste, der Renner war heil geblieben.
Glücklicherweise gab es zu dieser Zeit noch kein Streusalz. Aber für
Kellersch Adolf als Gemeindediener waren wir ein Dorn im Auge. Wenn er
mit seiner zweirädrigen Holzkarre mit Schlackensand unterwegs war,
um die schneeglatten Straßen etwas abzustumpfen, gab es für
uns alle wieder einen Großeinsatz. Kaum war er um die nächste
Ecke, wurde mit einer Vielzahl von Reiserbesen der alte Zustand wieder
hergestellt.
Nur abends war mein Glück getrübt. Dann musste ich das geliebte
Stück meinen größeren Brüdern übergeben. Ab jetzt
waren sie die Könige auf der Schlittenbahn.
Wenn man heute auf diese tiefempfunden Begebenheiten zurückblickt,
möchte man spontan den Verantwortlichen zurufen: Haltet diese Erlebnisse
eurer Dorfjugend nicht länger vor.