Stanislaus, ein um etwa 1910 bei uns eingebürgerter Tscheche, galt
als bärenstarker Mann. Er war mit Hermine geb. Pulfrich verheiratet
und wohnte im Hause Ernst/Ionen gleich rechts in der Hoorgasse. Einmal
waren er und seine Frau mit einem Kuhwagen ‘i dr liebe‘ zur Holzabfuhr
unterwegs. Plötzlich brach in einem Steilstück am Wagen ein Speichenrad.
Was war zu tun? Angesichts der prekären Situation kamen seiner Frau,
die die Bremse am Hinterwagen zu bedienen hatte, die Tränen. Stanislaus,
der dies bemerkte, entgegnete daraufhin tröstend und beruhigend seiner
Besten:
„Hermine, weine nicht, ich hebe die Wagen samt die Kuh!„ Seine große
Kraft, die längst im Orte sprichwörtlich war, ermöglichte
es ihm z.B., ohne großen Aufwand drei Sack Zement (je 50 Kg!) fortzutragen:
je einen unter beiden Armen und einen quer im Genick über die Schultern.
Im 1 .Weltkrieg kämpfte Stanislaus auf deutscher Seite gegen Rußland
und geriet dabei in russische Kriegsgefangenschaft. Hier wurde er einer
Holzfällerkolonne zugeteilt. Eines Tages begegnete ihm bei diesen
Arbeiten in der Tundra ein Jungbär, der verletzt war und sicher nicht
überlebt hätte ohne die Zuwendung und Pflege des menschlichen
Freundes. Beide wurden fortan Kameraden, die Krieg und Gefangenschaft überlebten.
Die Rückführung des inzwischen stattlichen Bären nach Deutschland
war jedoch problematisch, und so vertraute er ihn bei der Durchfahrt aus
der Gefangenschaft durch seine alte Heimat dem Prager Zoo an. Nach Jahren
der Abwesenheit fuhr er noch einmal nach Prag zurück, um sich nach
‘Mischa‘ zu erkundigen. Welch ein Erleben: Beim Zuruf im Bärengehege
kam sein Freund mit lautem Gebell und Gebrumme angetrottet. Er lebte also
noch und hatte seinen Freund und Lebensretter wiedererkannt.
Stanislaus ging als gelernter Müller für seinen Lebensunterhalt
der sehr anstrengenden Arbeit im Flammersbacher Steinbruch nach, von der
manche Anekdote noch erzählt wird. „Steine muß man drücken
an sich„ war seine Arbeitstechnik und -philosophie zugleich.
Seine gutmütige und hilfsbereite Art ist bis heute in der Dorfgemeinschaft
unvergessen. So hat er für ärmliche Familien und Nachbarn ohne
Entgelt oft Holzfahrten und Feldarbeiten mit seinem Pferd übernommen.
Obwohl er selbst kinderlos war, galt seine besondere Zuneigung den Kindern,
seinen Nichten und Neffen. Oft wurde er von diesen bedrängt, mal wieder
eine Geschichte zu erzählen, die er dann - noch immer der deutschen
Sprache nicht ganz mächtig - meistens begann mit: „Sind gegangen in
eine große Wald, waren überhaupt nicht Bäume da... „.„
Nach dem Tode seiner Frau Hermine im Jahre 1941 zoges ihn wieder gen Osten
an die Stätte, wo er seine Kindheit verlebt hatte. Er starb hochbetagt
im Hause seiner Schwester bei Königgrätz, die die Wirren des
Krieges ebenfalls überlebt hatte. Daher hat es Stanislaus Zavadil
verdient, in der Erinnerung wachgehalten zu werden. Seine Spuren können
bis heute verfolgt und gelesen werden.